Zwei Jahre lang war die e-Schwalbe ausschließlich als L1e-Version mit 45 km/h erhältlich – nun legt Govecs nach und präsentiert gleich zwei neue Modelle: was bieten die L3e-Schwalben mit 61 und 90 km/h Höchstgeschwindigkeit?
Schwalbe KR51 – eine eindrucksvolle Geschichte
Die Simson Schwalbe war ein äußerst beliebtes Kleinkraftrad in der DDR und wurde von 1964 bis 1986 im thüringischen Suhl produziert. In diesen 22 Jahren entstanden über 1,5 Millionen Exemplare in den Modellvarianten KR 51, KR 51/1 und KR 51/2. Sie wurde stetig weiterentwickelt und vor allem wegen ihrer robusten Technik, der hohen Zuverlässigkeit, der leichten Reparierbarkeit sowie der in der DDR geltenden Sonderregelung für 60 km/h geschätzt.
e-Schwalbe: auch elektrisch erfolgreich?
Die E-Schwalbe wird seit 2017 von der Münchner Firma Govecs im polnischen Breslau produziert. Sie übernimmt das klassische Design der DDR-Simson, kombiniert es jedoch mit einem modernen Elektroantrieb. Die erste Version erschien mit Mittelmotor und Riemenantrieb in zwei Varianten: als L1e (45 km/h) und L3e (90 km/h). Der charakteristische Schwalbe-Look mit 16-Zoll-Speichenrädern blieb erhalten – nostalgisch im Design, zukunftsorientiert im Antrieb.
Nicht übernommen wurde jedoch die typische Frontschwinge: Stattdessen kam eine herkömmliche Telegabel zum Einsatz. Die hohen Einstiegspreise von 5.000-7.000 Euro, fest verbaute Batterie(n) und die gesetzliche 45-km/h-Begrenzung dürften mitverantwortlich dafür sein, dass sich die e-Schwalbe auf dem europäischen Markt bislang nicht durchsetzen konnte.
Überarbeitete L1e-Variante: Stadtflitzer mit Retro-Charme
Bereits 2023 stellte Govecs eine überarbeitete Version der e-Schwalbe L1e vor. Im Zuge von Sparmaßnahmen fielen der kraftvolle Mittelmotor sowie die klassischen Speichenräder weg. Stattdessen verbaut Govecs nun einen 2,3 kW starken 48-Volt-Radnabenmotor (Peak: 3 kW). In Kombination mit der 1,7 kWh großen – nun endlich entnehmbaren – Batterie sind realistische 40–45 km Reichweite möglich. Ein zweiter Batterieplatz im Motortunnel erlaubt die Reichweitenverdopplung auf bis zu 90 km.
Die Batterien werden in Deutschland gefertigt und zertifiziert, wiegen nur 9,4 kg pro Stück und lassen sich bequem zu Hause oder auf Arbeit laden. Ein internes Ladegerät gehört zum Lieferumfang: um die Akkus extern zu laden werden weitere 200 Euro für ein Ladegerät fällig.
Die rund 110 kg schwere e-Schwalbe wird von einem CBS-Bremssystem mit hydraulischen Scheibenbremsen vorn und hinten sicher verzögert.
Die e-Schwalbe L1e ist das Einstiegsmodell von Govecs und kann bereits ab 15 Jahren mit dem AM-Führerschein oder mit dem Pkw-Führerschein gefahren werden. Sie ist ideal für den Stadtverkehr und kurze Pendelstrecken. Zudem ist sie steuerfrei, versicherungskennzeichenpflichtig, und von der TÜV-Pflicht befreit – ein unkomplizierter Einstieg in die Elektromobilität mit nostalgischem Flair.
„kleine“ L3e mit 61 km/h
Mit der neuen L3e/A1-Variante erreicht die e-Schwalbe eine Höchstgeschwindigkeit von 61 km/h und ist damit zugelassen für Kraftfahrstraßen und Stadtautobahnen – ein echter Vorteil im urbanen und stadtnahen Verkehr. Der Radnabenmotor entspricht dem der 45 km/h-Version, wird jedoch nicht elektronisch abgeregelt, was die höhere Endgeschwindigkeit ermöglicht.
Zum Lieferumfang gehören zwei entnehmbare 1,7 kWh Lithium-Ionen-Batterien, die eine realistische Reichweite von 60–70 Kilometern bieten. Ein Kritikpunkt verdient das 7-Ampere-Ladegerät, das mit etwa 8 Stunden Ladezeit für eine Vollladung nicht mehr zeitgemäß erscheint: besonders im Vergleich zur Konkurrenz mit 10/12 oder 14 Ampere-Schnellladeoptionen.
Positiv hervorzuheben sind moderne Features wie:
- Full-LED-Beleuchtung
- ein praktisches 5-Liter-Staufach
- ein gut ablesbares 5-Zoll-TFT-Farbdisplay
- schlüsselloses NFC-Startsystem
- automatische Rekuperation
- sowie die eSchwalbe-App zur Vernetzung mit dem Smartphone.
Mit der „kleinen“ L3e-Version erweitert Govecs die Modellpalette sinnvoll – bleibt aber beim Thema Ladeinfrastruktur, Akkugröße und Ladezeit hinter dem aktuellen Stand der Technik zurück.
„große“ L3e mit 90 km/h
Mit der neuen L3e-Variante mit 90 km/h Höchstgeschwindigkeit bringt Govecs die kraftvollste Version der E-Schwalbe zurück auf die Straße: klassisches Design trifft auf spürbare Power. Statt eines Radnabenmotors kommt hier ein effizienter Mittelmotor mit Riemenantrieb zum Einsatz – mit 6 kW Dauerleistung und bis zu 8,5 kW Spitzenleistung. Das sorgt für ordentlichen Anzug und souveränes Fahrverhalten – gerade im urbanen Raum und auf Landstraßen.
Versorgt wird der Antrieb von zwei entnehmbaren Lithium-Ionen-Batterien à 2,3 kWh. Damit sind realistische Reichweiten von 60–80 km möglich. Trotz des stattlichen Leergewichts von 129 kg überzeugt die große Schwalbe durch solide Fahreigenschaften.
Die Ladezeit bis 80% beträgt etwa 2 Stunden und rund 6 Stunden für eine komplette Vollladung – ein klarer Fortschritt gegenüber den kleineren Modellen mit schwächerem Ladegerät.
Zur Ausstattung gehören:
- Mittelmotor mit 6 kW (8,5 kW Peak)
- Zwei entnehmbare 2,3 kWh Akkus
- 14 A Lader / Typ2 Anschluss
- Full-LED-Lichtanlage
- 5-Zoll-TFT-Farbdisplay
- NFC-Schlüsselsystem (Keyless-Go)
- eSchwalbe-App zur Smartphone-Anbindung
- aktive Rekuperation über Gasgriff
- hydraulische CBS-Bremsen vorne & hinten
- 5-Liter-Staufach unter der Sitzbank
Mit ihrer höheren Geschwindigkeit ist die 90 km/h e-Schwalbe zugelassen für Kraftfahrstraßen und Autobahnen – ideal für alle mit A1- oder B196-Führerschein, die regelmäßig auch außerhalb der Stadt unterwegs sind.
Großes Manko: fehlendes ABS und keine Traktionskontrolle – in dieser Leistungsklasse eigentlich ein Muss! Besonders wenn man bedenkt, dass Mitbewerber wie z.Bsp. mit der Niu NQiX-500 für 4.499 Euro nicht nur 100 km/h schnell ist, sondern auch mit Traktionskontrolle und ABS daherkommt. Das stellt die e-Schwalbe in Sachen Sicherheit, Technik und Preis deutlich hinter die Konkurrenz!
Undurchsichtige Preispolitik
Das Autohaus Gotthard König ist nicht nur Großaktionär der GOVECS AG, sondern spielt auch eine zentrale Rolle beim Vertrieb der e-Schwalbe. Geschäftsführer Dirk Steeger leitet zudem die E-Schwalbe Vertriebsgesellschaft mbH, die den europaweiten Verkauf organisiert. Die Partnerschaft umfasst einen Fünfjahresvertrag über 100 Millionen Euro sowie exklusive Showrooms, etwa in Berlin.
Als Inhaber der Marke wird aus unserer Sicht die UVP (unverbindliche Preisempfehlung) viel zu hoch angesetzt: Das Einstiegsmodell startet bei 7.999 Euro, wobei ein Rabatt von 2.100 Euro dem Endverbraucher suggeriert, die L1e-Variante für 5.899 Euro sei ein echtes „Schnäppchen“. Ähnlich verhält es sich bei der 61 km/h-Variante, die statt 8.599 Euro mit 6.599 Euro beworben wird. Bei der 90 km/h-Variante wird der Preis von 9.990 Euro auf 8.990 Euro reduziert. Diese Preisgestaltung wirkt auf den ersten Blick attraktiv, vermittelt aber durch „Streichpreispolitik“ ein unwohles Gefühl in der Magengegend.
#SteckerBiker-Fazit
35 Jahre nach dem Ende der DDR ist und bleibt die Schwalbe ein Kultklassiker! Besonders schätzen wir die vielfältigen Akku- und Geschwindigkeitsvarianten, die für jeden Bedarf das passende Modell bieten, sowie den europäischen Produktionsstandort.
Optisch gefiel uns die e-Schwalbe mit den Speichenrädern deutlich besser – die Gussräder und der Radnabenmotor wirken wie von der Stange und hinterlassen keinen besonders hochwertigen Eindruck.
Der Mittelmotor der 90 km/h-Variante scheint die beste Wahl zu sein, wenn es um Anzug und Endgeschwindigkeit geht. Allerdings wirkt die 48-Volt-Technik veraltet: andere Hersteller wie Niu setzen bei ihrem Topmodellen auf 72 Volt, 2 kWh große Batterien, vollständige Vernetzung und Traktionskontrolle – und das Ganze zu (fast) zum halben Preis!
Wie findet ihr die Preisgestaltung bei der Goves e-Schwalben? Habt ihr Erfahrungen mit dem Service vom Autohaus König gemacht? Dann schreibts uns gern in die Kommentare!
Alles Infos gibt’s auf: www.my-schwalbe.com