Ducati V21L mit Feststoffakku: Was hinter dem IAA-Prototypen steckt

Date post
Categories Fahrzeuge, Hersteller, Sport, Technik
Tags , , , , ,
Author Paddy Lectric

Bühne frei auf der IAA Mobility 2025

Auf der IAA Mobility in München (8. September 2025) hat die Volkswagen-Gruppe gemeinsam mit Ducati eine weiterentwickelte V21L gezeigt – diesmal als Technologieträger mit Feststoffzellen. Präsentiert wurde das Ganze nicht als Laboraufbau, sondern fahrfertig: Eine modifizierte V21L rollte über die Bühne, bestückt mit Solid-State-Zellen von QuantumScape (QSE-5), verpackt in ein von Audi für diese Zellchemie konstruiertes Batteriesystem. Die Demo markiert die weltweit erste Live-Vorführung eines von QS-Feststoffzellen angetriebenen Fahrzeugs, inklusive Hersteller-Claims zu hoher volumetrischer Energiedichte (844 Wh/L), 10→80 % in gut 12 Minuten und 10C-Dauerlast.

Rückblick: Was die bisherige V21 kann

Seit 2023 ist Ducati Alleinlieferant der MotoE-Rennserie und stellt pro Wochenende 18 Bikes. Basis ist die V21 – Ducatis erstes reines E-Rennmotorrad. Die Eckdaten lesen sich schon lange wie ein Technik-Best-of: 18 kWh Batterie (1.152 x 21700-Zellen) als mittragendes Bauteil, 800-Volt-Architektur, flüssigkeitsgekühlter Antrieb mit 110 kW (150 PS) und 140 Nm, Gesamtgewicht 225 kg, Topspeed 275 km/h in Mugello. Geladen wird über einen 20-kW-Anschluss im Heck; rund 45 Minuten genügen für 80 %.

Dass Ducati Energica ab 2023 als Serienlieferant ablöste, ist bekannt – und zugleich Statement: Das Werk aus Borgo Panigale nutzt die WM explizit als Techniklabor für künftige Serienmotorräder.

Was an der IAA-V21L wirklich neu ist

Die eigentliche Nachricht steckt in der Batteriechemie. In München wurde eine V21-Plattform mit Feststoffzellen gezeigt, die die VW-Batterietochter PowerCo gemeinsam mit QuantumScape zuliefert. Herzstück sind QuantumScapes QSE-5-Zellen; Audi entwickelte ein komplett neues Batteriegehäuse und Thermomanagement passend zu diesen Zellen. Ziel: höhere Energiedichte, drastisch verkürzte Ladezeiten und – je nach Pack-Design – geringere Masse. Laut QS/PowerCo sind genau diese Leistungsindikatoren der Hebel, um E-Performance auf neues Niveau zu heben.

Die Kolleg:innen von MOTORRAD ordnen das für die V21 konkret ein: Demnach passen in das angepasste Gehäuse bis zu 980 QSE-5-Zellen; rechnerisch ergibt sich eine Kapazität „über 21 kWh“. Die Zellen werden mit rund 310 Wh/kgspezifiziert; die reine Zellmasse läge demnach bei „knapp 70 kg“. Wichtig: Das ist die Masse der Zellen, nicht des kompletten Batteriepakets – dennoch deutet es auf Spielraum für ein spürbar leichteres Gesamtsystem bei ähnlicher Kapazität.

Technik im Kontext: Energiedichte, Ladefenster, Thermik

Feststoffzellen versprechen viel – und bringen neue Hausaufgaben mit. Auf der Habenseite stehen die genannten Kenndaten: hohe volumetrische Energiedichte (QS nennt 844 Wh/L), kurze Schnellladezyklen (10→80 % in gut 12 Min.) und hohe Dauerströme (bis 10C). Auf dem Motorrad zählt das doppelt: Mehr Energie im gleichen Bauraum und schnelleres Nachladen zwischen Stints – genau das, was MotoE-Teams brauchen.

Auf der Sollseite stehen zwei Herausforderungen, die MOTORRAD ebenfalls anspricht: Temperaturfenster und Volumenschwankungen. Viele Feststoffsysteme arbeiten am liebsten ab ca. 25 °C; unterhalb davon drohen Performance-Einbußen. Außerdem „atmen“ die Zellen beim Laden/Entladen – das Pack benötigt mechanische Kompensation und ein Thermomanagement, das auch bei hoher Schräglage, Vibrationen und schnellen Ladezyklen stabil bleibt. Ducati/Audi haben das Packaging genau daran ausgerichtet – ein Paradebeispiel dafür, wie Autos und Motorräder im Konzernverbund voneinander profitieren.

Warum die V21L als Testträger Sinn ergibt

Die bekannte V21L setzt schon heute auf Lösungen, die man in dieser Konsequenz selten auf zwei Rädern sieht: Der Carbon-Batteriekörper als stressbelastetes Chassiselement, das 800-V-Layout zur Minimierung von Strömen/Verlusten und ein zweikreisiges Flüssigkühlsystem (separat für Zellen sowie Motor/Inverter). Diese Basis eignet sich ideal, um ein neues Zell-/Pack-Konzept „plug-in“ unter Rennbedingungen zu vermessen – inklusive Schnelllade-Turnaround direkt nach dem Stint. Genau das ist in der MotoE Routine und verkürzt Entwicklungszyklen dramatisch.

Konzernpower: Ducati × Audi × PowerCo × QuantumScape

Aus strategischer Sicht ist die IAA-Demo mindestens so spannend wie die Zahlen: Ducati greift als Teil der Volkswagen-Gruppe auf das Batterie-Ökosystem der Konzernmutter zu – von Zelltechnologie (QuantumScape) über Industrialisierung (PowerCo) bis Packaging-Know-how (Audi). Für PowerCo/QS ist die MotoE wiederum ein Härtetest außerhalb des Automobil-Use-Cases: geringe Masse, hohe Lastwechsel, enge Temperaturfenster und enge Zeitfenster beim Laden – wenn es hier funktioniert, profitiert später die Großserie. Das war auch der Subtext auf der IAA-Bühne.

Und was ist mit den „alten“ Zahlen?

Die bisherigen Ducati-Werte bleiben der Referenzpunkt: 18 kWh, 20 kW Ladeleistung, 225 kg, 275 km/h Top-Speed, 110 kW/140 Nm – alles sauber dokumentiert von Ducati selbst. Die Feststoff-V21 zielt nicht primär auf noch mehr Peak-Leistung, sondern auf Effizienz, Masse und Ladezeit. Heißt übersetzt: Unter gleichen Randbedingungen würde man heute eher an „mehr Runden pro Stint“ und „kürzerer Boxenzeit“ arbeiten als an der nächsten 300-km/h-Marke. Das deckt sich mit dem, was die MotoE in der Praxis verlangt.

Was wir (noch) nicht wissen

Ob die Zellenzahl (bis zu 980), die rechnerische Kapazität „> 21 kWh“ und die anvisierte Zellmasse in exakt diesem Setup in der kompletten Saison standhalten, muss die Strecke zeigen. Ebenso offen: die reale Ladeleistung am Motorrad (bisher 20 kW) – QS spricht von sehr schnellen Ladefenstern, aber die Boxen-Infrastruktur, die Pack-Kühlung und die Balance aus Zellschonung vs. Turnaround entscheiden am Ende. Hier ist Skepsis keine Spaßbremse, sondern Professionalität – genau dafür fährt die V21L mit Feststoffakku nun im Konzernlabor „MotoE“.

Einordnung der Berichterstattung

Neben der offiziellen Konzernkommunikation haben Magazine und Blogs die IAA-Premiere breit aufgegriffen. MOTORRAD ordnet die Technologie sauber in die Ducati-Historie ein und liefert konkrete Rechenbeispiele zur QSE-5-Bestückung. Tuningblog.de hat das Thema in einem Video aufgegriffen und die Schlüsselbotschaft „vom Labor in die Serie“ pointiert. Zusammen ergibt das ein stimmiges Bild: Hier geht es nicht um einen Messestand-Gag, sondern um ein konzernweites Technologie-Pilotprojekt – mit Ducati als Schaufenster.

#SteckerBiker-Fazit

Natürlich ist die gezeigte Ducati V21L mit Feststoffbatterie „nur“ ein Prototyp. Aber er fährt nicht im luftleeren Raum: In der MotoE bekommt das System einen harten Alltagstest – Hitze, Kälte, Vibrationen, Schnelllade-Back-to-Back. Ducati hat als Teil der Volkswagen-Gruppe Zugriff auf die derzeit vielleicht spannendste Batterietechnik und die Industrialisierungskraft dahinter. Zählt man das zusammen, wirkt das Engagement in der MotoE weit entfernt von Liebhaberei. Es ist ein strategischer Vorlauf, um bereit zu sein, wenn Elektromobilität auf zwei Rädern das Versprechen „weniger Kompromisse“ endlich einlöst.

Der Ansatz unterscheidet sich sichtbar von vielen Wettbewerbern: Ducati will erst dann ein Straßenprodukt bringen, wenn es spürbar alltagstauglicher ist – mit weniger Einschränkungen bei Reichweite, Ladezeit und Gewicht als das, was heute am Markt steht. Die Feststofftechnologie ist dafür kein Selbstzweck, sondern ein möglicher Schlüssel. Und genau diesen Schlüssel testet man jetzt dort, wo es zählt: auf der Strecke.

Gefällt Dir dieser Beitrag?

Wir bringen regelmäßig Beiträge zu Themen aus der Community und Nachrichten aus der Welt der Elektromotorräder.

Damit Du nichts verpasst, bieten wir einen wöchentlichen Newsletter mit Themen der vergangenen Woche.

Melde Dich unverbindlich und kostenlos an und bleibe informiert!

Wir spammen nicht!
Datenschutzerklärung für weitere Infos.