Bestes A1-Bike? Zero S im #SteckerBiker-Praxistest

Date post
Categories Fahrzeuge, Vergleichstest
Tags , , ,
Author Paddy Lectric

Zero S Historie: Wie ein Leichtkraftrad zur „großen“ Zero wurde

Zero Motorcycles hat sich über Jahre vom Pionier für leichte, alltagstaugliche E-Zweiräder hin zu einer Marke entwickelt, die auch im Segment der „großen“ Motorräder ernst genommen wird. Ein wichtiger Meilenstein war 2020 die SR/F als erstes wirklich erwachsenes Modell der dritten Generation: ein Naked Bike im Streetfighter-Look, das nicht mehr nach „Pendler-Spielzeug“ aussah, sondern nach einem vollwertigen Motorrad mit entsprechendem Anspruch. Auf dieser Plattform folgten weitere Ableger wie die SR/S mit Verkleidung sowie später die Adventure-orientierte DS-Reihe, die das Thema Reichweite, Komfort und Langstrecke stärker in den Vordergrund rückte.

Lange Zeit blieb die Welt bei Zero klar getrennt: Hier die großen Modelle, dort die kleineren Maschinen der zweiten Generation, die vor allem den 11-kW-Bereich abdeckten. Genau dieser 11-kW-Bereich ist für Zero jedoch entscheidend, weil in Deutschland ein großer Teil der Verkäufe auf Leichtkrafträder und die A1/B196-Klasse fällt. 2024 kam dann die strategische Zäsur: Die ältere Plattform verschwand, und die 11-kW-Modelle wanderten auf die große Basis. Der Trick dahinter ist ebenso simpel wie wirkungsvoll: gleiche Anmutung, gleiche Präsenz, aber mit angepasstem Motor und Controller so homologiert, dass 11 kW Dauerleistung im Fahrzeugschein stehen – während die elektrische Spitzenleistung in einem ganz anderen Regal spielt.

Technisch steckt in der Zero S mehr „großes Zero“-Motorrad, als die A1-Klasse zunächst vermuten lässt: Der Akku ist hardwareseitig identisch mit dem 17,3-kWh-Pack der SR/F, wird bei der S jedoch softwareseitig kastriert – bis Modelljahr 2025 auf 14,4 kWh, ab Modelljahr 2026 auf 15,6 kWh. Diese Begrenzung lässt sich gegen Aufpreis digital freischalten, wodurch das Bike beim Thema Energieinhalt näher an die „große Schwester“ rückt. Beim Laden bleibt die Serienausstattung dagegen klar auf Alltag getrimmt: Das Onboard-Ladegerät leistet bis MJ 2025 3,0 kW, ab MJ 2026 3,3 kW, jeweils einphasig. In der Praxis bedeutet das eine Ladezeit von 0–95 % in rund 4 Stunden; für eine wirklich volle Ladung kommen danach noch ungefähr 30 Minuten hinzu.

#SteckerBiker-Praxistest: So wurde die Zero S im Alltag bewegt

Der #SteckerBiker-Praxistest folgt einem praxisnahen Ansatz, weil Elektromotorräder trotz wachsender Modellvielfalt noch immer sehr unterschiedliche Einsatzprofile bedienen. Entscheidend ist weniger die Frage, ob ein Bike „gut“ ist, sondern wofür es gut ist – und wo die Grenzen liegen. Bewertet wird deshalb in vier Feldern, die sich in der realen Nutzung immer wieder als maßgeblich zeigen: Pendeln, Tourentauglichkeit, Technik sowie Design & Style. Pro Kategorie gibt es eine Einordnung von einem bis fünf Sternen. Preise bleiben bewusst außen vor, weil sich Aktionen und Marktbedingungen schnell ändern und der Test auch dann noch Orientierung geben soll, wenn Fahrzeuge später gebraucht gehandelt werden.

Das hier getestete Motorrad wurde für den Praxistest vom Hersteller zur Verfügung gestellt, ohne Einfluss auf Ablauf, Inhalte oder Ergebnis. Gleichzeitig fließt ein Punkt mit ein, den man bei dieser Zero besonders ernst nehmen muss: Das Fahrzeug lässt sich stark über Ausstattung und Upgrades konfigurieren. Dadurch entstehen im Alltag zwei deutlich unterschiedliche Charaktere – und genau diese Spreizung prägt die Bewertung stärker als bei manch anderer Maschine.

Zero S Pendlereigenschaften: Stark in der Stadt, schwer im Stand

Auf dem Papier ist die Zero S ein A1-Motorrad, in der Realität wirkt sie wie ein „richtiges“ Naked Bike. Allein die Masse unterstreicht das: Rund 223 Kilogramm im Serienzustand, und mit Charge Tank kommt spürbar mehr dazu – dann bewegt sich das Gesamtpaket in Richtung Vierteltonne. Gleichzeitig hilft der sehr niedrige Schwerpunkt, sobald das Motorrad rollt: Die S lässt sich erstaunlich leichtfüßig durch den urbanen Alltag dirigieren, wirkt stabil und gleichzeitig agil genug, um im Verkehr nicht nur mitzuschwimmen, sondern ihn aktiv zu „lesen“ und Lücken sauber mitzunehmen.

Im Pendelalltag zählt vor allem das Fortkommen – und hier spielt der E-Antrieb seine Trümpfe aus. Die 11 kW stehen als Dauerleistung im Raum, doch die abrufbare Spitzenleistung liegt deutlich höher, was sich an der Ampel sofort bemerkbar macht. Das Motorrad geht energisch los, beschleunigt sehr überzeugend und vermittelt damit genau dieses große Motorradgefühl, das vielen A1-Bikes abgeht. Die vergleichsweise geringe Sitzhöhe um 78 Zentimeter sorgt zudem dafür, dass auch kürzere Fahrerinnen und Fahrer schnell Vertrauen aufbauen können, während die schmale Lenkerbreite den Stadtbetrieb zusätzlich erleichtert.

Der Haken liegt dort, wo in der Stadt besonders oft rangiert wird: im Stand und bei Schrittgeschwindigkeit. Der Lenkeinschlag fällt begrenzt aus, das Wenden braucht Platz, und beim Schieben zeigt sich das Gewicht als echte Hürde – gerade, wenn es leicht bergauf geht oder der Untergrund uneben ist. Dazu kommen Details, die im Berufsverkehr mehr nerven als auf der Sonntagstour: Spiegel, die zwar schmal bauen, aber je nach Statur nicht gleichzeitig das Geschehen neben und hinter dem Motorrad optimal abbilden, sowie die Tatsache, dass Stauraum zwar vorhanden ist, aber nicht so dimensioniert, dass etwa ein Laptop hineinpasst.

Reichweite und Laden passen im Pendlerbild dagegen gut zusammen. Innerstädtisch sind mit dem großen Akku alltagstaugliche Distanzen möglich, was das Bike auch für Laternenparker interessant macht, weil die Standzeit an der Säule nicht jeden Tag anfällt. Mit dem serienmäßigen Onboard-Lader bleibt das Laden allerdings eher über Nacht oder einen halben Tag am Arbeitsplatz als „kurz mal nachladen“. Genau diese Mischung aus sehr starkem Fahrgefühl im Stadtfluss und spürbarer Schwerfälligkeit beim Rangieren ergibt eine konsequente Bewertung: 4 von 5 Sternen für die Pendlereigenschaften.

Zero S Tourentauglichkeit: Eine Frage des Lade-Setups

Auf der Landstraße zeigt die Zero S, warum sie so polarisiert. Das Fahrgefühl ist nicht das einer typischen 125er, sondern eher das einer mittelgroßen Maschine: Überholen gelingt souverän, der Durchzug ist präsent, die Linie in Kurven stabil. Selbst nach über 100 Kilometern wirkt das Paket nicht „ausgewrungen“, sondern entspannt – und genau das ist es, was man auf Touren braucht: Reserve, Gelassenheit, Kontrolle. Der Verbrauch bleibt dabei im Rahmen, und auch die Sitzposition erweist sich als langstreckentauglicher, als der sportlich wirkende Kniewinkel zunächst vermuten lässt.

Doch Tourentauglichkeit ist bei E-Motorrädern immer auch Lade-Realität. Und hier teilt sich die Zero S in zwei Welten: serienmäßig mit 3 kW (ab MJ 2026 mit 3,3 kW) AC oder aufgerüstet mit ChargeTank, der das Ladefenster deutlich erweitert – allerdings um den Preis, dass das Staufach praktisch verschwindet und Gepäcklösungen stärker eingeplant werden müssen. Das ist nicht nur Komfortfrage, sondern Reise-Logik: Wer mit 3 kW lädt, muss nach einem langen Fahrabschnitt deutlich länger stehen. Wer hingegen mit hoher AC-Leistung nachlädt, kann Pausen in sinnvollen Etappenrhythmen setzen und die Reiseplanung fühlt sich wieder „motorradtypisch“ an.

Zwei Konfigurationen machen den Unterschied besonders greifbar:

  • Serienzustand (3 kW AC): Ein Akku kann weit tragen, aber die anschließende Ladezeit bremst lange Tagesetappen stark aus.

  • Mit Charge Tank (hohe AC-Leistung): Nachladen wird reisetauglich, dafür geht Stauraum verloren und das Thema dreiphasige Infrastruktur wird relevanter.

Hinzu kommt eine technische Besonderheit, die unterwegs über „gute“ oder „zähe“ Ladestopps entscheiden kann: Je nach Säule und Netzbedingungen kann die effektiv anliegende Leistung schwanken, etwa durch Begrenzungen bei Schieflast-Erkennung oder durch die konkrete Auslegung der AC-Station. Auf der Straße bedeutet das: Mit Charge Tank kann die Zero S zur erstaunlich tourentauglichen Maschine werden, aber sie verlangt mehr Aufmerksamkeit beim Lade-Setup und bei der Säulenwahl als ein System, das „einfach immer gleich“ lädt.

Die Sternebewertung folgt deshalb konsequent dem Praxisunterschied: 2 von 5 Sternen im Serienzustand, 4 von 5 Sternen mit Charge Tank. Damit steht nicht das Motorrad an sich in Frage, sondern die Konfiguration, in der es genutzt wird – und genau das ist bei diesem Modell die zentrale Erkenntnis.

Zero S Technik: Viel Ausstattung, viel Software, viel Spielraum

Technisch tritt die Zero S sehr erwachsen auf. ABS und Traktionskontrolle sind an Bord, die Fahrmodi decken vom Regenbetrieb bis zur sportlichen Gangart ein breites Spektrum ab, und ein Modus lässt sich individuell konfigurieren – inklusive Rekuperationsverhalten beim Rollen und beim Bremsen. Das ist mehr als Spielerei, weil es die Charakteristik im Alltag tatsächlich verändert: von „weich und effizient“ bis „direkt und engagiert“.

Das TFT-Cockpit ist gut ablesbar und erlaubt, die Informationsfelder nach Bedarf zu belegen – etwa mit Reichweite, Trip, Temperaturen oder Verbrauchswerten. Dazu kommt die App-Anbindung für Fahrzeugstatus, Standort, Ladevorgang und Updates. Over-the-Air-Updates sind dabei ein zweischneidiges Thema: Sie sind grundsätzlich praktisch, funktionieren aber je nach Situation nicht immer völlig reibungslos – bleiben dennoch ein wichtiger Baustein, weil das Motorrad stark softwaregetrieben ist.

Spannend wird es dort, wo Zero Funktionen per Software freischaltbar macht. Eine Rangierhilfe kann etwa über die App aktiviert werden, was bei einem schweren Bike im Alltag mehr Nutzen bringt, als man auf dem Datenblatt vermuten würde. Außerdem gibt es Möglichkeiten, Ladeleistung oder Akkukapazität per Upgrade zu erweitern, was die S noch stärker in Richtung „großes Motorrad“ schiebt – allerdings immer mit dem Hinweis, dass sich Bedienlogik und Anzeige (Stichwort „110 %“ als aktivierte Zusatzreserve) anfühlen können, als müsse man sich erst daran gewöhnen.

Auf der Hardwareseite bleibt die Plattform offen für Zubehör: Heizgriffe, weiterentwickelte Assistenzsysteme, unterschiedliche Sitzbänke und Scheiben, Gepäcklösungen. Gleichzeitig gibt es Grenzen, die sich nicht wegkonfigurieren lassen: Eine integrierte Navigation im Display ist kein Thema, Apple CarPlay/Android Auto ebenfalls nicht, und moderne Komfortsysteme wie ein Totwinkelwarner fehlen. Insgesamt bleibt unter dem Strich ein sehr stimmiges Bild mit kleinen Abzügen bei Detaildisziplinen – 4 von 5 Sternen in der Technikwertung.

Zero S Design & Style: Understatement mit großem Auftritt

Optisch spielt die Zero S bewusst nicht die „Seht her, ich bin elektrisch“-Karte. Das Design bleibt im vertrauten Streetfighter-Kosmos, irgendwo zwischen bekannten Naked-Bike-Linien, mit bulligem Mittelteil und klarer, zweckmäßiger Formsprache. Genau das ist ihre Stärke: Sie wirkt wie ein vollwertiges Motorrad, nicht wie ein Sonderling, und sie wird im Verkehr entsprechend wahrgenommen. Wer ein A1-Bike sucht, das nicht nach Leichtkraftrad aussieht, findet hier genau diesen erwachsenen Auftritt.

Gleichzeitig ist Understatement nicht automatisch ikonisch. Die Silhouette ist eher „solide modern“ als „sofort verliebt“, und damit bleibt der Style-Faktor Geschmackssache. Dazu kommt ein sehr handfester Praxis-Ausrutscher: Die Kennzeichenlösung am Heck kann durch Vibrationen zur Schwachstelle werden – im Test endete das sogar damit, dass das Kennzeichen verloren ging. So etwas ist kein Designurteil im musealen Sinn, aber im Alltag ein echter Stimmungskiller, weil es Vertrauen in die Detailausführung kostet.

Im Ergebnis passt die Wertung zum Gesamteindruck: erwachsen, neutral, funktional, aber nicht unverwechselbar – 3 von 5 Sternen für Design & Style.

Die SteckerBiker meinen:

Die Zero S ist eines dieser seltenen Motorräder, die eine Klasse sprengen, ohne ihre Zulassung zu verleugnen. Als A1-Bike wirkt sie groß, fährt groß und kann in entscheidenden Momenten auch groß auftreten – gerade dort, wo viele Leichtkrafträder klein wirken: beim Antritt, beim Überholen, beim Gefühl von Souveränität. Dass die Maschine ihre Leistung nicht dauerhaft hält und ab einem Punkt sichtbar in die A1-Regel zurückfällt, gehört zur Ehrlichkeit dieses Konzepts, nimmt dem Erlebnis aber erstaunlich wenig von seinem Reiz, solange Erwartung und Einsatzprofil zusammenpassen.

Der zentrale Knackpunkt ist nicht das Fahrwerk, nicht der Motor, nicht die Verarbeitung – sondern die Lade-Realität. Mit 3 kW AC wird die Zero S schnell zum starken Alltagsbike, das auf Touren ausgebremst werden kann. Mit ChargeTank kippt das Bild in Richtung Reisefähigkeit, fordert dann aber Kompromisse beim Stauraum und Aufmerksamkeit an der Säule. Genau diese Zweiteilung macht die Zero S so spannend: Sie ist nicht einfach „gut“ oder „schlecht“, sondern sie ist je nach Ausstattung ein anderes Motorrad.

Und noch ein Gedanke bleibt hängen: Wenn in der A1-Klasse Spitzenleistung so präsent wird, verschieben sich auch die Diskussionen um Verantwortung, Erfahrung und Reglementierung. Das ist kein Moralpunkt, sondern eine realistische Beobachtung. Die Zero S zeigt, was technisch möglich ist – und sie setzt damit eine Marke, an der sich kommende A1-E-Motorräder messen lassen müssen.

Wer sich ausführlicher über die Zero S im #SteckerBiker-Praxistest informieren möchte, dem sei diese Video ans Herz gelegt:

Gefällt Dir dieser Beitrag?

Wir bringen regelmäßig Beiträge zu Themen aus der Community und Nachrichten aus der Welt der Elektromotorräder.

Damit Du nichts verpasst, bieten wir einen wöchentlichen Newsletter mit Themen der vergangenen Woche.

Melde Dich unverbindlich und kostenlos an und bleibe informiert!

Wir spammen nicht!
Datenschutzerklärung für weitere Infos.

Hinterlasse einen Kommentar