Podcast: Warum E-Motorräder (noch) nicht durchstarten
Frisch auf Sendung (10. August 2025): In der aktuellen Folge von „Geladen – der Batteriepodcast zur Energiewende“ sprechen die Hosts Patrick Rosen und Daniel Messling mit Sebastian Braun, CTO von Helius Drive Systems – und gehen der Frage nach, weshalb sich Elektromotorräder trotz E-Auto-Boom schwertun. Die Episode erschien am 10.08.2025 (ca. 33 Minuten) und ist u. a. auf YouTube und in allen Podcast-Apps verfügbar.
Der Gast und sein Blick aufs Thema
Helius Drive Systems (aus dem Umfeld von Universal Transmissions/Nicolai) arbeitet an modularen Antrieben für Light-Electric-Vehicles (LEV) bis hin zu Hochleistungs-Offroad-Bikes – Braun bringt also Praxisperspektive ins Studio. Schon der Einstieg ist kantig: Große Motorradhersteller – besonders aus Japan – bremsten die Elektrifizierung aus „mangelndem Interesse“ an einer vergleichsweise kleinen, emotionalen Nische mit hohem Entwicklungsrisiko. Stattdessen treiben jüngere Player wie Stark Future oder Zero die Technik. Auch Ducati sei zwar ikonisch, aber stückzahlseitig kein Taktgeber.
Segmente: Wo E-Antriebe heute realistisch sind
Spannend ist Brauns Segment-Einordnung:
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Chopper/Cruiser: Technisch eigentlich dank niedriger Performance-Anforderungen „am leichtesten“ zu elektrifizieren – emotional aber schwer vermittelbar.
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Touring/Adventure & Urban Touring: Realistische Einsatzfelder, Reichweiten und Ladebedarfe passen eher zum Alltag.
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Supersport: Am härtesten zu elektrifizieren, weil Kunden hier 200 PS, 300 km/h und gleichzeitig brauchbare Reichweite erwarten.
Diese nüchterne Priorisierung räumt mit der oft gehörten Pauschalbehauptung auf, E-Bikes seien grundsätzlich ungeeignet.
Reichweite auf der Landstraße: Schwarzwald als Praxisbeispiel
Für Touren im Mittelgebirge nennt Braun realistische Reichweiten von ~250 km (je nach Fahrstil und Modell), verweist auf Rekuperationspotenziale bergab – aber genauso auf deren Grenzen. Reku bringe messbar etwas, sei aber kein Wundermittel: typischerweise 3–5 % Rückgewinnung.
Laden: Warum DC-Schnellladen am Bike knifflig ist
Die Runde diskutiert offen, weshalb DC-Schnellladen bei Motorrädern noch selten ist:
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Energiedichte vs. C-Rate: Je höher die Energiedichte, desto konservativer die zulässige Ladeleistung – Batterien sind der Flaschenhals.
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Bauraum: Selbst der Stecker (CCS) ist groß; Packaging-Kompromisse am Motorrad sind hart.
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Gewicht & Kosten: Onboard-Komponenten, Kabelwege, Abdichtung und Crash-Sicherheit wollen integriert werden – bei kleinen Stückzahlen teuer.
Fazit: Wenn schon kein Batteriewechsel, dann sollte Schnellladen kommen – aber vernünftig verpackt, nicht als Feigenblatt.
Fahrgefühl, Wartung und soziale Akzeptanz
E-Bikes punkten mit Einfachheit: keine Kupplung, keine Gangwechsel, weniger Wartung (Kette/Riemen ausgenommen), kein Benzingeruch im Transporter oder Wohnmobil. Dazu kommt ein Argument, das im Alltag oft unterschätzt wird: Leiser Verkehr steigert die Akzeptanz bei Anwohnern und Fußgängern – man fällt weniger negativ auf, ohne völlig geräuschlos zu sein.
Technik-Deep-Dive: Plattformen, Packaging und Masse
„Verbrenner-Rahmen elektrifizieren“ funktioniert selten gut. Zero und Stark hätten es richtig gemacht: von Grund auf elektrisch entwickeln. Der E-Motor sitzt typischerweise nahe der Schwingenachse, die Batterie zentral, leicht nach vorn versetzt. So entsteht ein präzises Einlenkverhalten, obwohl E-Bikes auf der Waage teils schwerer sind – die rotierenden Massen (Kolben, Getriebe etc.) fehlen, was das Fahrgefühl oft leichter macht als man denkt.
Zellchemie & Ausblick: Von LFP bis Semi-Solid
Braun sieht LFP bei Scootern/Einsteiger-Bikes (kostengünstig, robust) und NMC bei sportlichen Motorrädern (hohe Energiedichte). Mittel- bis langfristig verortet er Semi-Solid- und Solid-State als Gamechanger. Im Gespräch nennt er > 350 Wh/kg (Pack-nah) aus Semi-Solid-Zellen, perspektivisch noch höher – ein Pfad, der Reichweiten-Debattendeutlich entschärfen könnte, sobald er in Serie und kosteneffizient kommt.
Kosten & Stückzahlen: Wer skaliert, gewinnt
Die Preisfrage beantwortet Braun unromantisch: „Menge macht Preis.“ Solange Volumina klein bleiben und die Großen zögern, bleibt der Kostenhebel stumpf. Stark Future dient ihm als Positivbeispiel: Elektro-Offroader in signifikanten Stückzahlen und preislich auf Niveau etablierter Verbrenner-Konkurrenz (KTM-Vergleich) – bei teils mehr Leistung.
Kultur & „Klang“: Der Thermomix-Spruch – und die Gegenrede
Die Hosts zitieren eine YouTube-Stimme: „Für viele fühlt sich ein Motorrad, das nicht schnurrt, eher wie ein Thermomix an.“ Brauns Replik: Probefahren! Viele Kritiker seien nie elektrisch gefahren. Außerdem brauche es keine künstlichen Motorsounds – E-Bikes haben ihren eigenen Klang, und Sicherheit gewährleistet notfalls die Hupe.
Community-Echo (Auswahl)
In der Kommentar-Debatte (Stand: Veröffentlichung) schwingen drei Linien mit, die auch der Podcast adressiert:
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Emotion & Identität: Sound als Teil des „Biker-Charakters“ – der Thermomix-Vergleich bringt es pointiert auf den Punkt.
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Reichweite & Laden: Wunsch nach verlässlicher DC-Option und ehrlichen Tour-Zahlen statt Normzyklen.
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Preis & Verfügbarkeit: Frust über Listenpreise und fehlende Händlernetze, kombiniert mit Neugier auf Marken wie Stark, die Offroad schon überzeugen.
(Die thermomix-Pointe ist im Gespräch selbst referenziert; die übrigen Punkte sind typische Muster, die auch in der Episode aufgegriffen werden.)
#SteckerBiker-Fazit:
Die Folge liefert einen realistischen Lagebericht: Technik ist nicht das Haupthindernis – Packaging, Kosten, Stückzahlen und Erwartungsmanagement sind es. Touring-Szenarien mit ~250 km sind machbar, solange man Ladefenster einplant; DC bleibt der nächste dicke Schritt – technisch lösbar, aber bauraum- und batteriegetrieben anspruchsvoll. In der Zellchemie deutet sich mit Semi-Solid ein Pfad zur Reichweiten-Entschärfung an. Kurz: Der Markt ordnet sich, die Offroad-Nische zeigt, wie Skalierung funktionieren kann. Jetzt braucht es Mut bei den Großen – oder weiterhin Tempo bei den Kleinen.
Wer reinhören will: Die Episode „Elektro-Motorräder: Warum haben sie gerade keine Chance?“ findet ihr bei Podigee/Apple (produziert im KIT-Umfeld) und als Video auf YouTube. Empfehlenswert – nicht nur für E-Nerds: Geladen Podcast Apple Podcasts YouTube