Im Steckerbiker Praxistest schaue ich mir verschiedene Elektromotorräder anhand einheitlicher Kriterien an und bewerte sie subjektiv, aber nachvollziehbar. Ziel ist es, euch bei der Frage zu helfen: Ist dieses Fahrzeug etwas für mich oder nicht? Heute im Test: Die Maving RM1S – ein urbanes Elektromotorrad im Stil der 1930er Jahre.
Historie – britische Motorradseele, elektrisch neu gedacht
In den 1920er und 1930er Jahren war die britische Motorradindustrie das Zentrum einer globalen Bewegung. Marken wie Norton, Rudge, Velocette oder die legendäre Brough Superior bestimmten nicht nur den Takt im Motorrennsport, sondern auch den Stil auf den Straßen des Empire. Diese Motorräder standen für ein Lebensgefühl: aufrecht, elegant, technisch raffiniert und stets mit einem Hauch Understatement. In dieser Zeit wurde das Bild des britischen Gentleman Bikers geprägt, der mit Tweed-Jacke, Tankhose und ölverschmierten Fingern die Landstraße entlangfuhr.
Was diese Motorräder auszeichnete, war die perfekte Verbindung von funktionaler Technik und zeitloser Ästhetik. Schmale Rahmen, freistehende Speichenräder, handgefertigte Metalltanks und sichtbare Mechanik – all das war darauf ausgelegt, Schönheit und Maschinenbau in Einklang zu bringen. Viele Modelle waren fahrbare Kunstwerke, ohne dabei auf Alltagstauglichkeit zu verzichten.
Diese zeitlose Ästhetik wirkt bis heute nach – in Museen, auf Oldtimer-Treffen und seit kurzem auch in der Gegenwart. Die Maeving RM1S greift dieses Erbe der Vorkriegszeit in erstaunlich moderner Form wieder auf. Die kleine Maschine trägt Stilelemente jener Zeit, als englische Motorräder groß wurden: die reduzierte Silhouette, der klassisch geformte Tank, der runde Frontscheinwerfer und vor allem das freistehende Hinterrad erinnern mehr an alte Velocette als an ein modernes Elektromotorrad.
Doch die RM1S ist kein nostalgischer Blender, sondern ein gut durchdachtes Elektromotorrad für den urbanen Individualisten.

Technische Daten – A1-Klasse mit Stil
Die Maeving RM1S gehört zur Klasse L3E-A1 und ist fahrbar mit Führerschein Klasse A1 ab 16 Jahren oder B196 (Autoführerschein-Erweiterung).
Angetrieben wird sie von einem Radnabenmotor am Hinterrad mit 10 PS Dauerleistung und 15 PS Spitzenleistung. Die Maschine erreicht nach einiger Zeit bis zu 110 km/h.
An Bord sind zwei herausnehmbare Lithium-Ionen-Akkus mit jeweils 2,7 kWh Kapazität, also insgesamt 5,4 kWh. Das Fahrzeug wiegt inklusive Akkus und Ladegerät 144 kg.
Federung: vorne Teleskopgabel mit 110 mm Federweg, hinten Doppelfederbeine mit 80 mm Federweg. Reifen: 3,25 x 19 Zoll, also relativ schmal.
Sitzhöhe: 785 mm
Länge: 2,145 mm
Breite: ca. 896 mm

Pendlereigenschaften – stark im urbanen Alltag
Mit ihren 15 PS ist die RM1S für den Stadtverkehr gut geeignet. Die Maschine ist flink, wendig und lässt sich sehr einfach fahren. Das Filtern funktioniert sehr gut.
Die A1-Leistung hört sich zwar wenig an, ist aber mit einem klassischen Verbrenner-Leichtkraftrad kaum vergleichbar. Man kann an der Ampel vorne stehen und kommt dann gut weg, ohne ein Verkehrshindernis zu sein.
Die Maschine ist schlank und hat einen niedrigen Schwerpunkt, was das Manövrieren im Stadtverkehr erleichtert.
Die Hupe ist überraschend laut – angenehm, wenn man sich im Verkehr Gehör verschaffen will.
Die häufigste Frage bei E-Motorrädern ist natürlich: Wie weit komme ich damit? Mit dem Verbrauch, den ich gemessen habe, liegt die Reichweite im Stadtbereich bei rund 100 km. Mit etwas Zurückhaltung schafft man sogar 110 km, einige Fahrer berichten sogar von 130 km oder 145 km im Eco-Modus.
Die Akkus sind herausnehmbar, was das Laden zu Hause oder im Büro erleichtert, wenn man keinen Stromanschluss am Stellplatz hat – ideal für Laternenparker. Allerdings wiegt ein Akku 16,5 kg, was beim Treppensteigen ins obere Stockwerk kein Spaß ist.
Standardmäßig lädt man die Akkus am Fahrzeug mit einem mitgelieferten 1200-Watt-Ladegerät. Voll aufladen dauert etwa sechs Stunden. Hier liegt ein Kritikpunkt: Das Ladegerät ist nicht wasserdicht und damit für draußen ungeeignet. Bei Regen muss das Laden abgebrochen werden.
Außerdem steht das Ladegerät offen herum, was Diebstahlrisiko bedeutet.
Allerdings gibt es keine Rekuperation, was den Energieverbrauch auf knapp 5 kWh pro 100 km bringt – fast so viel wie bei einer viel größeren und schwereren DSRX. Das ist etwas enttäuschend.
Die Spiegel sind zwar gut positioniert, aber komplett plan und zeigen wenig vom Verkehr hinter einem. Man muss den Kopf oft bewegen, und ein Helm mit viel Sichtfeld ist empfehlenswert.
Insgesamt vergebe ich für die Pendlereigenschaften sehr gute 4 von 5 Sternen. ★★★★☆

Tourentauglichkeit? Nicht wirklich
Kurvige Landstraßen meistert die RM1S durchaus mit Charme. Der Durchzug bis 80 km/h ist ordentlich, darüber wird es zäh. Bei 90 km/h beginnt sie zu kämpfen, 110 km/h erreicht sie nur mit Geduld – das macht auf der Landstraße wenig Spaß.
Überholmanöver sollte man sich vorher gut überlegen. Besser, man verzichtet darauf. Kleine Straßen sind daher zu bevorzugen.
Auf der Landstraße lassen sich rechnerisch zwar 80 km Reichweite erwarten, realistisch sind jedoch eher 60 bis 70 km – bei einem gemessenen Verbauch von knapp 7 kWh pro 100 km (gemischter Betrieb: Innerorts und Landstraße mit etwa 80-90 km/h). Denn bei geringem State of Charge (SoC) wird die Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h herabgesetzt, bei minimaler Leistungsannahme. Das will man auf der Landstraße nicht haben.
Das Ladegerät kann zwar im Tankfach mitgeführt werden, doch für eine Pause mit überschaubarer Länge ist es einfach nicht leistungsstark genug: geladen werden etwa 15 – 20 km Reichweite pro Stunde. Die fehlende Wasserfestigkeit ist leider auch nicht hilfreich.
Tourentauglichkeit: ★☆☆☆☆

Technik-Wertung – einfach, aber solide
Die Verarbeitung ist fast erstklassig, nichts klappert oder rappelt. Die Maschine gleitet auch bei unebenem Untergrund geräuschlos dahin. Nur die Spiegel machen einen minderwertigen Eindruck, auch wenn sie aus Sicherheitsgründen wegklappbar sind.
Die Federung ist nicht einstellbar, aber für meinen Fahrstil ausreichend komfortabel. Das Bremssystem ist ein CBS-Verbundbremssystem (kombinierte Bremswirkung vorne/hinten), jedoch ohne ABS oder Traktionskontrolle.
Die Elektronik ist minimalistisch: analoger Tacho mit LCD-Display, zwei Trip-Zähler, Uhrzeit. Das Tankfach und Akkufach werden elektronisch gesteuert und lassen sich nur im Stand öffnen.
Es gibt drei Fahrmodi: Eco, Intermediate und Sport. Eco ist für mich überflüssig, da hier die Leistung stark eingeschränkt und die Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h begrenzt ist. Der Sportmodus ist der einzige, in dem es richtig Spaß macht zu fahren.
Die Beleuchtung ist komplett LED, was mir gut gefällt. Eine App-Anbindung gibt es nicht, dafür aber eine Wegfahrsperre.
Das Laden der Akkus lässt sich nicht begrenzen, z.B. 80% SoC um die Lebensdauer zu verlängern. Dafür läuft der Ventilator des Ladegeräts ungeregelt immer auf Vollast. Das ist relativ laut – ich habe im Büro etwa 42 dB gemessen, was auf Dauer störend sein kann.
Insgesamt gibt es für die einfache Technik 2 von 5 Sternen. ★★☆☆☆

Design & Style – die ganz große Stärke
Das absolute Highlight der RM1S ist das Design. Es greift die klassischen Stilelemente der britischen Motorräder aus den 1920er und 30er Jahren auf: runder Scheinwerfer, Speichenräder, schlanker Rahmen, freistehendes Hinterrad mit Schutzblech, Diamant-Sattel mit optionaler Steppung.
Das Radnabenmotor-Design erinnert an alte Trommelbremsen und unterstreicht den Retro-Look. Das Fahrzeug ist ein Kunstwerk und zieht viele Blicke auf sich. Ich wurde mehrfach von Passanten angesprochen, die von diesem Stil begeistert waren.
Beim Distinguished Gentlemen’s Ride, einem Event rund um klassische Motorräder, waren die anwesenden Maeving RM1S Modelle ein echter Hingucker und wurden mehrfach als das erste Elektromotorrad bezeichnet, das wirklich gefällt.
Für Design und Style vergebe ich volle 5 von 5 Sternen – das ist für mich das schönste E-Motorrad, das derzeit zu kaufen ist. ★★★★★
Steckerbiker-Fazit – die elektrische Stilikone für die Stadt
Maeving macht mit der RM1S vieles richtig: modernes Elektromotorrad trifft auf klassische britische Motorradtradition. Die Maschine ist ein Kunstwerk, das Spaß macht und stilvoll zur Arbeit gebracht werden will.
Für Stadtfahrer und Pendler ist sie ideal – stilvoll, wendig, gut ausgestattet. Für lange Touren ist sie aufgrund der Reichweite und Ladezeit weniger geeignet.
Vertrieb und Service sind innovativ: Das Motorrad wird online bestellt und vom Maeving-Mitarbeiter direkt geliefert, ebenso die Wartung vor Ort.
Ich bin begeistert und freue mich auf weitere Modelle aus dem Hause Maeving.
Ich hoffe, der Test war hilfreich für euch! Schreibt gern in die Kommentare, was ihr von der kleinen RM1S haltet.
Gesamtwertung (subjektiv):
Pendlereigenschaften: ★★★★☆
Tourentauglichkeit: ★☆☆☆☆
Technik: ★★☆☆☆
Design & Style: ★★★★★
Link zum Hersteller: https://de.maeving.com/