Pfiffige A1-Zwillinge: G1S und G1X von GR1T Motorcycles
Das Schöne an der EICMA ist, dass sie nicht nur den großen, etablierten Herstellern eine Bühne bietet, sondern auch kleineren Unternehmen und Start-ups die Chance gibt, ihre Ideen zu präsentieren. Ein solches Unternehmen ist GR1T Motorcycles, ein Start-up mit europäischer DNA und Entwicklungswurzeln in Italiens berühmter „Motor Valley“. Die Firma will urbane Mobilität neu definieren – mit Maschinen, die bewusst für den Alltag konstruiert sind, statt Verbrennerplattformen zu elektrifizieren.
Premiere auf der EICMA 2025
Auf die EICMA 2025 brachten sie zwei Prototypen ihrer geplanten G1-Serie mit: die G1S Street, eine Straßenmaschine in leuchtendem Orange, und die G1X Scrambler, eine wuchtigere Variante im Offroad-Look. Beide basieren auf derselben technischen Plattform und wurden in den vergangenen rund 14 Monaten konsequent weiterentwickelt, bevor sie nun in Mailand erstmals einem größeren Publikum gezeigt wurden. Die Bikes sind von Grund auf neu entwickelt, nicht aus bestehenden Rahmen abgeleitet, und setzen auf modulare Komponenten, digitale Konnektivität und ein eigenständiges Design.
Technisch gesehen bilden G1S Street und G1X Scrambler ein Zwillingspaar: beide Modelle nutzen denselben Mittelmotor, denselben Batterieverbund und ein gemeinsames Chassis. Der Rahmen ist bewusst kompakt gehalten. Bei einem Radstand von nur 1.345 Millimetern, liegt das fahrfertige Gewicht mit beiden Akkus bei rund 127 Kilogramm, also klar unter vielen anderen A1-Elektromotorrädern. Der Mittelmotor leistet 11 kW Dauerleistung – klassengerecht für L3e-A1 – und 26,6 kW Spitzenleistung, womit die G1-Modelle auf bis zu 130 km/h kommen. Damit sind die Bikes auch autobahntauglich.
Die Energie liefern zwei herausnehmbare Batteriemodule, jeweils mit insgesamt rund 5,9 kWh Kapazität. Im Stadtbetrieb spricht GR1T von etwa 150 Kilometern Reichweite, im gemischten Stadt-/Landstraßeneinsatz etwas weniger – Werte, die zwar etwas optimistisch erscheinen, aber auch nicht allzu weit von der Realität entfernt sein sollten.
Zwei Modelle: G1S Street und G1X Scrambler
Auch wenn sich die beiden Modellvarianten technisch nicht allzu sehr unterscheiden, ist, ist die G1S Street das klar stadtorientierte Modell. Optisch wirkt sie kompakt, mit recht schmalem Bodywork und betont aufgeräumter Silhouette. In leuchtendem Orange zieht sie Aufmerksamkeit auf sich, ohne in billigen Effekten zu schwelgen. GR1T positioniert die G1S als „Urban Commuter“ – eine Maschine, mit der man morgens ins Büro fährt, nachmittags noch schnell einen Umweg über die Lieblingsstrecke nimmt – sofern die nicht allzu lang ist.
Die G1X Scrambler setzt dem Ganzen eine robustere Note entgegen. Technik und Eckdaten bleiben weitgehend identisch, doch Optik und Ergonomie sind klar Richtung leichtes Gelände verschoben. Die Scrambler steht etwas höherbeinig da, bietet eine Sitzhöhe von rund 830 Millimetern, Stollenreifen, Handprotektoren, eine kleine Scheibe und hochgesetztms Vorderradschutzblech einen Offroad-Look. Zumindest leichte Feldwege, Schotterabstecher oder ein kleiner Ausflug über den Waldparkplatz an der Lieblingsbucht sollten auf alle Fälle damit machbar sein.
Modularität und pfiffige Details
in zentrales Thema bei GR1T ist die Modularität. Die Motorräder sind bewusst so gestaltet, dass sich viele Elemente leicht individualisieren lassen. Es gibt nur wenige lackierte Anbauteile – etwa Seitenpaneele, Frontkotflügel und die Abdeckung um den Scheinwerfer –, die sich vergleichsweise einfach austauschen und farblich variieren lassen, ohne gleich das komplette Motorrad zu zerlegen. Damit knüpft GR1T an den eigenen Anspruch an, Motorräder zu bauen, die nicht nur personalisierbar, sondern auch reparierbar und langlebig sind.
Mindestens ebenso durchdacht ist das Thema Batterien und Laden. Die beiden rund 3-kWh-Module sitzen tief im Rahmen, lassen sich einzeln entriegeln und aus dem Motorrad entnehmen, um sie in der Wohnung, im Büro oder in der Tiefgarage an einer ganz normalen Steckdose zu laden. Wer lieber im Fahrzeug lädt, kann das genauso tun: Ein integriertes On-Board-Ladegerät dockt in einem 9 Liter großen Staufach magnetisch an und wird über eine leicht zugängliche Außensteckdose versorgt. Der Clou:Wer nur kurze Strecken fährt und das Ladegerät nicht ständig dabeihaben möchte, lässt es einfach daheim und gewinnt zusätzlichen Stauraum.
Auch der hintere Fahrzeugbereich ist clever verpackt. Durch das nach unten verlegte Federbein und den Wegfall klassischer Auspuffanlagen wirken die GR1T-Modelle besonders schlank; der Bauraum im Bereich des Schwingendrehpunkts bleibt frei für den kompakt integrierten Mittelmotor, der seine Kraft per Riemenantrieb an das Hinterrad abgibt.
Optional sind ab Werk Gepäcklösungen vorgesehen: stabile Heck- und Seitengepäckträger, die jeweils mit bis zu zehn Kilogramm belastet werden können, machen aus G1S und G1X auf Wunsch auch ein praktisches Arbeitsgerät für Kurierdienste oder den Laptop-Pendler mit Rucksack-Allergie.
Smarte Features: Konnektivität, App-Anbindung und digitale Sicherheitssysteme
Auf der Elektronikseite fährt GR1T im A1-Segment fast schon Oberklasse auf. Ein 5-Zoll-Farbdisplay mit 4G-Anbindung kann Apple CarPlay und Android Auto einbinden und dient damit als Navigations- und Infotainment-Schnittstelle. Das Staufach beherbergt eine kabellose Smartphone-Ladeschale und einen USB-C-Anschluss. Die Zündung erfolgt schlüssellos; das Motorrad entriegelt sich automatisch, sobald der Fahrer sich nähert, oder lässt sich via Smartphone und Smartwatch freischalten. Front- und Rückfahrkamera zeichnen die Fahrt auf, auf Wunsch auch in einer Cloud, und dienen gleichzeitig als Sicherheitsfeature, wenn sich jemand unbefugt am Motorrad zu schaffen macht. GPS-Tracking, Remote-Lock-Funktionen und eine App, die Fahrten protokolliert, den Batteriezustand überwacht und Wartungsempfehlungen gibt, runden das Paket ab.
Founder’s Circle, Preise und Ausblick
GR1T richtet sich ganz bewusst an Early Adopter und lädt mit dem „Founder’s Circle“ beziehungsweise „Founder’s Club“ ein, die Marke von Anfang an zu begleiten. Die Reservierung eines Motorrads erfolgt online mit einer Anzahlung von 100 Euro, die laut Hersteller zu hundert Prozent erstattungsfähig ist – egal, ob GR1T den Serienstart doch nicht schafft oder ob man selbst es sich anders überlegt. Im Gegenzug winkt ein attraktiver Rabatt: Wer seine G1S oder G1X bis zum 31. Dezember 2025 reserviert, erhält 1.500 Euro Preisnachlass auf den regulären Einstiegspreis. Zum Zeitpunkt unseres Artikels gibt GR1T den Listenpreis der G1S Street mit 6.999 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer an, die G1X Scrambler startet bei 7.999 Euro.
Natürlich ist GR1T trotz all dieser guten Ansätze noch nicht am Ziel. Das Unternehmen arbeitet weiter an Tests, Homologation und der finalen Auslegung der Serienfahrzeuge. Auf der Corporate-Seite findet sich eine recht klare Roadmap: Straßentests, weitere Erprobung, Design-Finalisierung, Aufbau einer Fertigung, Vorbestellungen und schließlich der Verkaufsstart im Jahr 2027. Parallel dazu suchen die Gründer aktiv nach Investoren und einem geeigneten Produktionsstandort in Europa.
Die SteckerBiker meinen:
Im L3e-A1-Segment treffen G1S und G1X auf eine wachsende Zahl von Wettbewerbern: von chinesischen Stadtbikes über Horwin-Modelle bis hin zu spannenden Newcomern wie AJP Fulgora oder Famel EX-F. GR1T setzt in diesem Umfeld auf eine Kombination aus technischen Details, vollem 11-kW-A1-Leistungslimit, moderatem Gewicht unter 130 Kilogramm und einem akzeptabel großem Akkupaket. Wer im Alltag viel Stadt fährt, aber trotzdem eine Maschine haben möchte, mit der auch die Umgehungsstraße oder ein Stück Autobahn locker machbar ist, wird hier durchaus fündig. Für lange Vollgas-Autobahnetappen oder die ganz große Alpentour sind 6 kWh netto naturgemäß begrenzt – aber genau das gibt GR1T auch offen zu: Der Fokus liegt auf urbanen und suburbanen Szenarien sowie auf Pendlerinnen, Kurierdiensten, Flottenbetreibern und Wochenend-Ausreißern.
Unser Eindruck nach dem EICMA-Auftritt: GR1T zeigt, dass die Zeit der Start-ups im Elektromotorradbereich noch lange nicht vorbei ist. Ambitionierte Ideen und pfiffige Details kombinieren sich zu einem Paket, das technisch stimmig wirkt und gleichzeitig Raum für Individualisierung lässt. Der modulare Aufbau, die clever verpackten Batterien, die praxisgerechten Stauraumlösungen und das hohe Konnektivitätsniveau machen die G1-Modelle zu spannenden Werkzeugen für den urbanen Alltag. G1S Street und G1X Scrambler erscheinen als durchaus wettbewerbsfähige Alternativen im A1-Segment – und als Motorräder, die Emotionen wecken.
Bleibt zu hoffen, dass GR1T die nächsten Schritte bei Homologation, Fertigung und Vertrieb so solide umsetzt, wie sie bisher die Technik und das Design angegangen sind. Wir würden die beiden Prototypen jedenfalls sehr gern möglichst bald auf der Straße und im Alltag testen. Was wir bisher gesehen – und auf dem Papier gelesen – haben, ist vielversprechend.
TIPP: Wer sich die beiden Prototypen einmal selbst ansehen und sich mit den Machern unterhalten möchte, wird auf der Motorbike Expo in Verona (23. – 25.01.26) und auf der IMOT in München (20. – 22.02.26) Gelegenheit dazu haben.