BBM Hiro Streetfighter: Weit fahren, nicht nur pendeln

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Categories Fahrzeuge
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Author Paddy Lectric

In Spanien – genauer gesagt im Baskenland, zwischen Pyrenäen und Atlantik – entsteht gerade etwas, das in der E-Motorrad-Szene für ordentlich Puls sorgt: BBM Motorcycles. Die noch junge Marke tritt nicht mit einem einzelnen Bike an, sondern mit einer ganzen Plattform namens „Hiro“. Erste Ausbaustufe dieser Plattform ist die Hiro Streetfighter, ein leistungsstarkes Naked Bike mit Schnelllade-Versprechen auf Verbrenner-Niveau: 100 km zusätzliche Reichweite in rund neun Minuten CCS-Stop. Das klingt nicht nach Steckerziehen und Warten, das klingt nach Boxenstopp.

BBM positioniert sich damit bewusst jenseits der üblichen „Stadt-e-tauglich, aber bitte nicht zu weit weg fahren“-E-Mobilitäts-Argumentation. Die Ansage: elektrische Performance, voll langstreckentauglich, dazu ein modularer Aufbau, aus dem mehrere Stilrichtungen entstehen sollen – vom Roadster über Café Racer bis zum Scrambler. Die Streetfighter ist nur der Auftakt.

BBM Hiro Streetfighter in einer Tiefgarage
BBM Hiro Streetfighter in Palladium-Lackierung

Wer steckt hinter BBM?

Hinter BBM stehen die Brüder Guillaume und Benoit Barras. Die beiden Franzosen sind in der Custom-Szene keine Unbekannten: Mit „Angry Lane“, einer Custom-Werkstatt, die 2012 in Hongkong gestartet ist, haben sie sich über Jahre einen Ruf als Detail-Perfektionisten mit einem sehr klaren Stil erarbeitet. Aus dieser DNA ist BBM hervorgegangen – offiziell firmiert das Ganze inzwischen als „Barras Brothers Motorcycles“. BBM beschreibt sich selbst als die konsequente Weiterentwicklung dieser Custom-Kultur in Richtung Serienprodukt: hochwertige Materialien, klare Linien, möglichst wenig unnötiges Plastik, und vor allem: elektrischer Antrieb, der nicht wie ein Kompromiss wirkt.

Der Auslöser war laut den Gründern simpel: Kunden fragten nach maßgeschneiderten E-Motorrädern – aber der Markt gab nichts her, was sie selbst ernsthaft fahren wollten. Zu schwer, zu wenig Reichweite, zu langsam beim Laden, zu viel Kunststoff, zu wenig Seele. Also beschlossen sie, nicht einfach „ein eigenes Bike“ zu bauen, sondern eine Basis, auf der sich verschiedene Motorräder schnell und in hoher Qualität aufbauen lassen. Genau diese Basis heißt Hiro.

Hiro-Plattform: Rahmen und Antriebsstrang
Der Kern für die Hiro-Plattform

Die Mission: elektrische Performance ohne Ausreden

BBM formuliert seine Mission sehr eindeutig: klassische Motorrad-Formsprachen neu interpretieren, aber mit moderner E-Technik, hoher Fertigungsqualität und echter Individualisierbarkeit – und zwar so, dass leidenschaftliche Fahrer nicht das Gefühl haben, sie müssten „von Verbrenner auf Vernunftprodukt runtertauschen“. Die Bikes sollen schnell laden, kräftig ziehen, optisch Charakter haben und technisch so gebaut sein, dass sie über Jahre weiterentwickelt werden können. Dazu gehört nicht nur Fahrdynamik, sondern auch Nachhaltigkeit: BBM setzt bei der Verkleidung konsequent auf Bio-Composite-Paneele statt klassischer Plastikabdeckungen. Diese faserverstärkten Bauteile sind leichter, robuster und vollständig recycelbar.

Auch beim Thema CO₂ geht BBM offensiv ran. Laut eigener Aussage ist praktisch jedes Bauteil am Motorrad darauf ausgelegt, sich wiederverwenden oder recyceln zu lassen. Man versteht Elektromobilität hier nicht nur als „kein Auspuff mehr“, sondern als komplette Neuinterpretation von Materialwahl, Produktion und Lebenszyklus.

Die Hiro-Plattform: eine Basis, viele Charaktere

Das vielleicht Spannendste an BBM ist nicht die Streetfighter an sich, sondern das, was darunter liegt: die Hiro-Plattform. Hiro ist eine modulare Architektur, deren Kern ein gemeinsamer Antriebsstrang, ein gemeinsames Chassis-Konzept und ein gemeinsames Batterie-Setup ist. Darauf aufbauend lassen sich verschiedene Stilrichtungen – Streetfighter, Roadster, Café Racer, Scrambler – relativ schnell realisieren, ohne jedes Mal ein komplett neues Motorrad von Null an entwickeln zu müssen. Das spart Zeit, erlaubt sehr unterschiedliche Positionierungen und macht Individualisierung für den Kunden zur Strategie, nicht zur nachträglichen Zubehör-Frage. 

Technisch bedeutet das: Ein Chromoly-Gitterrohrrahmen (Trellis Frame) mit Alu-Heckrahmen und Alu-Schwinge sorgt für Stabilität bei niedrigem Gewicht. Dazu kommt eine sehr bewusst gewählte Geometrie mit 24° Lenkkopfwinkel, niedrigen Schwerpunkt und ausgeglichener Gewichtsverteilung. Das Fahrwerk setzt auf eine Upside-down-Gabel vorn (43 mm, 120 mm Federweg) und ein voll einstellbares Monofederbein hinten. Gebremst wird radial mit Vierkolben-Sätteln und 320-mm-Scheiben. Das Ziel: präzises Handling auf dem Niveau sportlicher Verbrenner, obwohl ein Akku mit fast 13 kWh Kapazität an Bord ist.

Die Plattform ist außerdem darauf ausgelegt, nicht nur in einer Spezifikation vom Band zu laufen. BBM spricht ausdrücklich von „mass customization“ – also Serienfertigung mit individuellem Zuschnitt. Käufer sollen in der Lage sein, Leistung, Optik, Auftritt und Nutzungsprofil sehr gezielt zu wählen: aggressiver Streetfighter? Entspannter Roadster? Café Racer fürs schöne Wetter? Scrambler mit Explorer-Attitüde? Alles basiert auf demselben Kern.

Collage verschiedener Farben der Hiro Streetfighter
Die Hiro Streetfighter wird in verschiedenen Farben angeboten

Erstes Modell: die Hiro Streetfighter

Die Streetfighter-Variante ist aktuell das kommunikativ stärkste Aushängeschild von BBM. Sie steht für maximale Leistung, unmittelbare Gasannahme und optisch eher nackte, auf das Wesentliche reduzierte Mechanik. Der Motor liefert bis zu 94 PS (70 kW) Spitzenleistung und 150 Nm Motormoment direkt am Rad. Die Drehzahl des radialen Flussmotors (RFPM) reicht bis 12.000 U/min, die Höchstgeschwindigkeit ist elektronisch bei 190 km/h begrenzt. Damit liegt die Hiro Streetfighter klar im Bereich ausgewachsener Naked Bikes aus der Verbrennerwelt – nicht im Bereich „E-Scooter mit Motorradoptik“.

Spannend ist auch das Gewicht: BBM nennt rund 200 kg fahrfertig. Das liegt in etwa da, wo viele große Verbrenner-Nakeds ebenfalls spielen. Das ist wichtig, denn Gewicht war bisher einer der Hauptkritikpunkte an leistungsstarken E-Motorrädern. BBM adressiert genau dieses Vorurteil: zu schwer, zu träge, macht keinen Spaß. Anspruch der Streetfighter ist, dass sie sich in schnellen Wechselkurven genauso leichtfüßig anfühlt wie ein guter Verbrenner.

drei verschiedenfarbige Hiro Streetfighter
Drei Farben stehen zur Auswahl: Rot, Blau und Palladium

Batteriearchitektur und Ladeleistung

Herzstück der Technik ist ein 12,96-kWh-Akku mit 360-Volt-Architektur. Laut BBM ist das Batteriepaket reparierbar und aufrüstbar – also nicht als versiegelter Einwegblock gedacht, sondern als Energieeinheit, die man über den Lebenszyklus des Fahrzeugs pflegen, instandsetzen und perspektivisch auch upgraden kann. Die Zellen sind sogenannte Hochleistungs-„3C“-Zellen, also Zellen, die massiv Lade- und Entladeströme verarbeiten können. Gekühlt wird das Ganze passiv; Motor und Inverter laufen dagegen flüssigkeitsgekühlt.

Diese Kombination ermöglicht das Ladeversprechen, das für viele Leser vermutlich der Gamechanger ist: Über CCS2-Gleichstromschnellladung (bzw. zukünftig NACS in den USA) sollen sich in rund neun Minuten rund 100 km zusätzliche Reichweite nachladen lassen. Bis 80 Prozent SoC soll es an einer Schnellladesäule rund 15 Minuten dauern. Leider wird nicht gesagt, von welchem Anfangsniveau aus. Nehmen wir 20% an, spricht das für eine Ladeleistung von etwa 30 kW – ein extrem guter Wert für einen solch kleinen Akku!

An einer Typ-2-Säule dauert derselbe Schritt laut BBM etwa 78 Minuten (das wären dann etwa 6 kW AC-Ladeleistung), an der Haushaltssteckdose um die zweieinhalb Stunden. Das ist nicht mehr „ich lade über Nacht“, das ist „ich trinke einen Kaffee und fahre weiter“.

In der Praxis bedeutet das: Wer Landstraße fährt, kurvt, wieder lädt, wieder fährt – also genau das, was wir bei Verbrennern am Wochenende sowieso machen – bekommt mit der Hiro Streetfighter ein Konzept, das Touren möglich macht, ohne dass man die Route komplett um das Laden herum planen muss. Genau diesen Punkt haben viele E-Motorrad-Interessenten bislang vermisst: nicht nur Stadt, nicht nur Pendeln, sondern echte Reichweite plus kurze Stopps.

Rahmen und Antriebsstrang in der Hiro Streetfigghter
Rahmen und Antriebsstrang

Reichweite und Fahrmodi

BBM spricht von einer „funktionalen Reichweite“ von über 220 km in städtisch geprägten Szenarien mit viel Rekuperation. Die Plattform unterscheidet zwischen verschiedenen Fahrmodi, die sich in Leistungsabgabe, maximaler Spitzenleistung und Rekuperationsstärke unterscheiden. In der Roadster-Auslegung etwa liegt der Fokus eher auf entspanntem Cruisen mit höherer Effizienz und begrenzter Leistung, während die Streetfighter möglichst viel Punch liefert und die volle Leistungsspanne von 94 PS freischaltet. Die Plattform selbst ist dafür ausgelegt, diese Charaktere per Software und Ergonomie-Setup abzubilden.

Spannend dabei: Die fünf Standard-Fahrmodi (u. a. „Initiate“, „Range“, „Cruise“, „Wet“, „Sport“) lassen sich über die BBM-App weiter anpassen. Fahrer können eigene Modi definieren, inklusive der Menge an Rekuperation beim Gaswegnehmen – bis hin zu Setups, die das Ansprechverhalten ihres bisherigen Verbrenners nachbilden sollen. Das ist ein sehr cleverer psychologischer Schritt: Wer vom Verbrenner umsteigt, kann sich sein vertrautes Drehgefühl, also die Art, wie das Bike ans Gas geht und wieder abbremst, softwareseitig zurückholen.

Verschiedene Screenshorts der BBM Dynamic-App
Die BBM Dynamic App bietet Echtzeit-Einblicke und individuell anpassbare Funktionen.

Digitaler Unterbau: die BBM Dynamic App

Die Hiro-Baureihe ist fest mit einer App verzahnt, die mehr ist als nur eine Reichweitenanzeige. In der BBM Dynamic App lassen sich Fahrzeugzustand, Wartungsstatus und Akkustand überwachen. Es gibt „My Garage“ als zentrale Übersicht, inklusive Laufleistung, Serviceinformationen und direkter Zugriffsmöglichkeit auf Teile oder Zubehör. Per Routenplanung mit intelligenter Ladeempfehlung will BBM außerdem die Angst vor leerem Akku nehmen: Die Navigation schlägt Ladepunkte vor und berücksichtigt Strecke, Profil und Bedingungen – also nicht nur „nächste Säule“, sondern „passt das wirklich zu deiner Fahrt?“. Over-the-Air-Updates sind ebenfalls vorgesehen, inklusive neuer Fahrmodi oder verbesserter Routenführung.

Aus SteckerBiker-Sicht besonders interessant: Dieses digitale Konzept wirkt nicht wie ein Add-on, sondern wie ein Bestandteil des Produkts. Das Motorrad wird damit zur laufend weiterentwickelten Plattform – nicht nur hardwareseitig mit auswechselbaren/verfeinerbaren Komponenten, sondern auch softwareseitig über OTA-Funktionen.

Hiro Streetfighter vor dunkler Skyline
Homologation in Europa für 2026 erwartet

Preis, Zeitplan, Homologation

BBM nennt aktuell einen erwarteten Einstiegspreis von 16.900 Euro, zuzüglich Steuern und ohne Zubehör. Die finalen Vorserien-Prototypen sollen ab Juni 2026 bei wichtigen Branchenterminen gezeigt werden. Die EU-Homologation peilt BBM für 2026 an, Nordamerika und Asien für 2027. Der Führerscheinfokus liegt auf A2, was für viele Fahrer den Einstieg erleichtert – ein weiterer Hinweis darauf, dass BBM nicht nur ein High-End-Spielzeug für Early Adopter bauen will, sondern mittelfristig in nennenswerten Stückzahlen auf europäische Straßen will.

Produziert werden soll im spanischen Baskenland, wo BBM laut eigener Aussage gezielt auf das industrielle Ökosystem rund um Hightech-Fertigung, Leichtbau, Batterietechnik und Zuliefererkompetenz zugreift. Der Standort soll außerdem sicherstellen, dass die Bikes „Made in Europe“ sind – ein Punkt, der für viele Käufer inzwischen fast genauso wichtig ist wie Reichweite und Ladezeit.

Hiro Streetfighter in Palladium
Bildschön anzusehen: Hiro Streetfighter in Palladium-Lackierung

Die #SteckerBiker meinen:

BBM liefern mit der Hiro Streetfighter zwei Dinge, die wir schon länger vermissen.

Erstens: den Mut, nicht nur ein einzelnes Bike zu bringen, sondern gleich eine komplette Plattform. Dieser Plattform-Gedanke ist im Autobereich längst Standard, bei Elektromotorrädern aber noch selten. Hiro soll als Grundgerüst dienen, um verschiedene Charaktere schnell auf die Straße zu bringen – Streetfighter, Roadster, Café Racer, Scrambler – ohne jedes Mal bei null anzufangen. Für Fahrer heißt das: echte Auswahl, nicht nur „Farbvariante Rot oder Schwarz“. Für BBM heißt das: schneller entwickeln, schneller reagieren, schneller liefern.

Zweitens: die ganz klare Touren-Ansage. Die Kombination aus einem fast 13-kWh-Akku mit 360-Volt-Architektur, rund 220+ km City-Reichweite, echter Leistung auf Naked-Bike-Niveau und CCS-Schnellladung in Minuten statt in Stunden klingt nicht nach Kompromiss. Sie klingt nach „wir fahren raus, gern auch weit, und laden unterwegs kurz nach“. Genau das verlangen viele Interessenten seit Jahren: ein E-Motorrad, das man nicht nur für den Arbeitsweg nutzt, sondern für den Wochenend-Trip oder die Tagestour mit Kumpels. BBM versucht ganz offensichtlich, genau diesen Wunsch zu erfüllen – und liefert damit nicht einfach das nächste reine Pendlerfahrzeug.

Unterm Strich: Uns gefällt, was wir bisher sehen. Die Hiro Streetfighter wirkt wie ein ernst gemeintes Performance-Bike mit Schnelllade-Fähigkeit, Software-Unterstützung und Stil. Noch spannender finden wir aber, dass Hiro als Plattform gedacht ist. Wir freuen uns darauf, die Streetfighter live zu sehen – auf der Bühne und, wichtiger, auf der Straße. Und wir sind sehr gespannt, wie Roadster, Café Racer und Scrambler am Ende wirklich aussehen und sich fahren werden. Wenn BBM hält, was sie versprechen, könnte hier gerade ein neuer europäischer Player entstehen, der in Sachen Tourentauglichkeit, Ladegeschwindigkeit und Individualisierbarkeit ein echtes Wort mitredet.

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