Aufreger Reichweite: Warum stimmen die Angaben nie?

Reichweitenangaben bei E-Motorrädern und Rollern basieren auf WMTC-Labortests und weichen oft erheblich von den realen Bedingungen ab – Enttäuschungen inklusive.
Elektromotorrad mit leerem Akku - Fahrer ist verärgert

Ob e-Roller oder e-Motorrad, die angegebenen Reichweiten weichen häufig erheblich von der Realität ab – sehr zum Ärger von vielen Kunden. 

Im Roller- und Motorradbereich sind die Regeln für die Verbrauchs- und damit auch Reichweitenermittlung durch das WMTC (World Motorcycle Test Cycle) geregelt. Das WMTC ist ein standardisiertes Prüfverfahren zur Messung des Energieverbrauchs und der CO₂-Emissionen von Motorrädern und Rollern. Er soll für weltweit vergleichbare Werte und harmonisierte Umweltstandards in der Branche sorgen. In den letzten Jahren wurde es auch auf elektrische Motorräder ausgeweitet, um den Energieverbrauch und die Reichweite unter realistischen Bedingungen zu messen.  

Das WMTC-Verfahren: Laborwerte

Das WMTC-Verfahren zeichnet sich durch mehrere Merkmale aus. Es handelt sich um eine internationale Norm, die von der UNECE (United Nations Economic Commission for Europe) eingeführt wurde und international anerkannt ist. Sie ermöglicht Herstellern und Verbrauchern, die Emissionswerte und den Energieverbrauch von Motorrädern weltweit zu vergleichen. Der Test umfasst eine standardisierte Fahrroute, die verschiedene Fahrbedingungen simuliert, wie städtischen Verkehr, Überlandstraßen und Autobahnen. Der Testzyklus berücksichtigt auch Stop-and-Go-Verkehr sowie konstante Geschwindigkeiten, die typische Nutzungsszenarien widerspiegeln. Der WMTC-Standard umfasst mehrere Fahrmodi: Urban (städtische, häufige Stop-and-Go-Situationen), Suburban (Vororte und weniger belebte Straßen) sowie Highway (schnellere, ununterbrochene Fahrten auf Autobahnen oder Schnellstraßen).  

Das WMTC-Verfahren liefert bereits realistischere Verbrauchs- und Emissionswerte als frühere Testmethoden. Dennoch bleibt es – wie das WLTP-Verfahren auch – ein reiner Laborwert. Zusätzlich können „Optimierungen“ wie leichte Fahrer, keine Steigungen, hoher Reifendruck und Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad zu deutlichen Abweichungen führen. Für die Vergleichbarkeit zwischen Herstellern und Modellen ist es ein guter Richtwert. Jedoch auch nur dafür.  

Fehler aus der Automobilbranche werden wiederholt

Das ist schade, denn die Zweiradbranche hätte hier aus den Fehlern der Automobilbranche lernen können. Dort werden Reichweitenangaben nach dem WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) ebenso quasi im Labor ermittelt, um verschiedene Fahrzeuge miteinander vergleichen zu können. Das Verfahren simuliert standardisierte Fahrzyklen, berücksichtigt jedoch nicht alle realen Umweltbedingungen oder Fahrgewohnheiten. Viele Kunden gehen fälschlicherweise davon aus, dass diese Werte auch im Alltag erreicht werden, und sind entsprechend enttäuscht.  

So geht es besser

Doch es gibt Hoffnung, denn manche Hersteller gehen mit gutem Beispiel voran: Zero Motorcycles oder LiveWire beispielsweise geben mittlerweile zusätzliche Reichweitenangaben an, beispielsweise bei konstanter Autobahngeschwindigkeit oder bei kombinierter Nutzung in Stadt und Überlandverkehr. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Trend fortsetzt und weitere Hersteller mit diesen deutlich transparenteren Werten arbeiten.  

Im Sommer, bei alleiniger Fahrt und mit einem Fahrergewicht von bis zu 65 kg, könnt ihr die so angegebenen Reichweiten bei vorausschauender Fahrweise durchaus erreichen.  

SteckerBiker-Expertentipp  

Für eine realistischere Einschätzung bei normaler Fahrweise solltet ihr 20–30 % der angegebenen Reichweite abziehen. Im Winter oder bei Fahrten auf der Autobahn ist mit etwa der Hälfte der angegebenen Reichweite zu rechnen. So vermeidet ihr Überraschungen oder sogar die Gefahr, das Fahrziel nicht zu erreichen.  

Darüber hinaus hat es es sich bewährt, bei Fahrten bis an den Rand der erwarteten Maximalreichweite immer die verbleibende Entfernung zum Ziel mit der prognostizierten Reichweite abzugleichen. Sollte letztere aufgrund der Fahrweise und äußeren Bedingungen (wie z.B. Gegenwind) unter die Entfernung zum Ziel sinken, lässt sie sich durch Verlangsamen der Fahrt teilweise nochmal deutlich verlängern. Alternativ bleibt natürlich immer noch die Möglichkeit, umzuplanen und vielleicht einen näher gelegenen Ladepunkt zum (vorzeitigen) Zwischenladen anzufahren.

Wie sind eure Erfahrungen? Habt ihr euch schon verschätzt und seid liegen geblieben?  

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